Ruhe und Kraft tanken in der Natur

Nachhaltig investieren und Klimawandel aufhalten

Gastbeitrag von Anja Müller vom Blog „Still Verwurzelt“

Ich bin jetzt Mitte 30 und lebe in der Großstadt. Nicht direkt im Zentrum, aber auch nicht am Stadtrand. Es ist eine geschäftige Wohngegend mit kleinen Grünstreifen, Parks und begrünten Wohnhäusern. Hier lebe ich nun schon, seit ich mit Mitte 20 aus der Kleinstadt weggezogen bin. Ich wollte damals dorthin ziehen, wo was los ist. Wo ich Möglichkeiten habe und mich entfalten kann.

Knapp 10 Jahre später merke ich, wie es mich mehr und mehr zurück in die Natur zieht. Ein kleines Häuschen am Waldrand – nur umgeben von Natur und Ruhe – ich habe das Gefühl, mich dort noch einmal auf eine andere, ehrlichere Art und Weise entfalten zu können als es in der großen Stadt möglich ist.

Aber warum diese Sehnsucht zur Natur? Was ist das Geheimnis der grünen Anziehungskraft?

Die verborgene Kraft des Waldes

Natur war für mich immer selbstverständlich. Ich bin in einer Kleinstadt direkt am Waldrand aufgewachsen, mit weit in den Himmel ragenden Fichten und dichten dunklen Waldstücken. Als Kind war ich immer in der Natur, weil sie mich einfach umgab. Sie befand sich direkt vor meiner Haustür und diente uns Kindern als eine große Spielwiese.

Mit der Zeit und dem Erwachsenwerden lernte ich diese Selbstverständlichkeit mehr und mehr als etwas ganz Besonderes zu schätzen. Der Wald wurde zu meinem persönlichen Kraftort, in den ich mich immer zurückziehen konnte. Wenn ich nach Antworten gesucht hatte, besuchte ich den Wald und fragte ihn um Rat.

Der Wald antwortete mir immer. Egal wie lange oder kurz ich mich dort aufhielt oder wie verzweifelt ich war – stets nahm ich eine große Portion Ruhe und Klarheit wieder mit hinaus. Im Wald scheinen alle Probleme weniger gewichtig zu werden. Sich dort aufzuhalten ist vergleichbar mit einer Frische- oder Verjüngungskur für Körper, Geist und Seele.

Dank Waldbaden achtsamer werden

Geborgen fühlen im Wald
© istockphoto, Todor Tsvetkov

Warum aber ist das so? Warum übt die Natur eine solch positive Wirkung auf uns aus?

In Japan gibt es schon seit Urzeiten eine Achtsamkeitspraxis, die sich „Shinrin Yoku“ – Waldbaden – nennt. Bei dieser speziellen Art des Badens geht es darum, sich mit allen Sinnen der Natur hinzugeben. Es geht darum, sie zu sehen, zu riechen, zu fühlen und sogar die harzige Luft zu schmecken. Erwiesenermaßen hat ein Aufenthalt in der Natur positive Auswirkungen auf unseren ganzen Organismus. Er senkt den Blutdruck, stärkt das Immunsystem und minimiert das Stresslevel.

Der Grund dafür ist so simpel wie überraschend: Als Homo sapiens sind wir Geschöpfe der Erde. Wir werden auf ihr geboren, genauso wie alle Pflanzen, Bäume, Tiere, Steine ebenso auf ihr geboren werden. Es gibt auf der Erde nichts „natürlicheres“ als die Natur und wir sind ein Teil von ihr. Kein Wunder also, dass wir uns am wohlsten, sichersten und klarsten fühlen, wenn wir uns in unserem ursprünglichsten Lebensraum, eben der Natur, befinden.

Spazierengehen als Meditation

Gehst du in der Natur spazieren, verbindest du dich also mit deinem Ursprung. Dabei musst du nicht einmal ganz bewusst „waldbaden“, auch wenn das natürlich von Vorteil ist. Schon allein die pure Anwesenheit in der Natur sorgt dafür, dass du dich ruhiger fühlst, auch wenn du es gar nicht intendierst. Nach jedem Waldspaziergang fühle ich mich automatisch klarer. Meine Gedanken sind strukturierter, mein Geist ist erfrischter.

Falls du das Ganze jetzt direkt mit der Praxis des Meditierens assoziierst, liegst du absolut richtig. Genau dieselben positiven Ergebnisse kannst du erwarten, wenn du meditierst. Eine Meditation senkt deinen Stresspegel, klärt deinen Geist, sorgt für Stille. Während du meditierst, verbindest du dich mit deinem Inneren. Dabei blendest du alle äußeren Störquellen aus. Du bist ganz bei dir und leerst deine Gedanken.

Ein Spaziergang hat genau dieselbe Wirkung, obwohl er etwas anders funktioniert: Gehst du Waldbaden oder bist generell in der Natur unterwegs, blendest du das Äußere eben gerade nicht aus. Deine 5 Sinne sind aktiv und du lässt den Wald dadurch auf dich wirken. Weil die Natur uns aber mit unserem Ursprung verbindet, wirkt sie direkt auf dein Inneres ein. Sie sorgt quasi von außen dafür, dass du ruhiger und klarer wirst, dass deine Gedanken leichter und stiller werden.

Wirst du mit klassischen Meditationspraktiken nicht so richtig warm, ist Spazierengehen eine echte Alternative. Für langfristige Ergebnisse gehst du am besten täglich hinaus.

Natur-Tipps für Großstädter

Was aber, wenn du mitten in der Großstadt lebst? Solltest du direkt deine Sachen packen und dort wegziehen?

Nein, das ist absolut nicht nötig. Ich persönlich weiß die Großstadt sehr zu schätzen und hatte lange Zeit überhaupt nicht das Bedürfnis nach einem Haus mitten im Wald. Vertraue diesbezüglich ganz deiner Intuition, die genau weiß, was du benötigst. Ein Anhaltspunkt: Introvertierte oder hochsensible Persönlichkeitstypen entwickeln in der Regel eine stärkere Sehnsucht nach Natur, während extrovertierte Typen die Großstadt mit all ihren Möglichkeiten deutlich länger am Stück auskosten können. Für mich als introvertierte Frau war die grüne Wohngegend in der Stadt ein guter Kompromiss.

Von den positiven Effekten eines Aufenthaltes in der Natur profitiert aber jede Person und das solltest auch du dir daher regelmäßig gönnen. In Japan ist dies schon lange Gang und Gäbe – arbeitenden GroßstädterInnen wird das regelmäßige Waldbaden zur Gesundheitsvorsorge quasi verordnet.

Was also tun, wenn du den Wald nicht direkt vor der Tür hast?

  • Stadtparks oder Grünstreifen mit Baumbestand können genau so eine positive Wirkung auf dich haben. Wenn du am Tag nur ein paar Minuten Spazierengehen möchtest, kannst du zum Beispiel auch die Schrebergärten um die Ecke für ein paar ruhige Momente nutzen.
  • Mindestens einmal im Monat lohnt es sich, einen Tagesausflug in die Natur einzuplanen. Vielleicht kannst du ein bisschen weiter wegfahren und in einem großen Waldgebiet eine längere Wanderung unternehmen. Planst du diesen Tag jeden Monat fest in deinen Terminkalender ein, ist es umso wahrscheinlicher, dass du ihn auch wirklich wahrnimmst.
  • Dekoriere deine Wohnung mit Grünpflanzen! Selbst wenn du nicht den grünsten Daumen hast – Pflanzen wie Kakteen oder Sukkulenten sind auch für Anfänger gut geeignet. Für mich funktionieren zum Beispiel Orchideen sehr gut, obwohl ich definitiv kein Naturtalent im Gärtnern bin.
  • Wenn du absolut nicht das Haus verlassen möchtest, nutze die Kraft des Internets – tatsächlich kann schon allein das Anschauen von Waldbildern oder Naturvideos einen positiven Effekt auf dich ausüben. Hast du einen großen Bildschirm, lasse zur Entspannung eine Waldlichtung mit Vogelgezwitscher laufen. Du findest allein auf YouTube eine Menge solcher Videos.

Über die Autorin

Anja Müller von Still verwurzelt

Anja ist Autorin und Coach für Introvertierte. Auf ihrer Plattform Still Verwurzelt zeigt sie dir, wie du als zurückhaltende Person deinen idealen Lifestyle findest, ohne dich verbiegen zu müssen.

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