Charisma entsteht im Kopf
Kennst du dieses Phänomen? Eine Frau erscheint auf einer Party und jeder im Raum spürt sofort ihre Anwesenheit. Oder du hängst fasziniert an den Lippen einer Speakerin, obwohl ihr Vortrag schon eine gefühlte Ewigkeit dauert. Diese Menschen haben es: Charisma!…und ziehen damit die Aufmerksamkeit der anderen magisch an.
Was genau ist Charisma? Wovon hängt es ab, ob man Charisma hat oder nicht? Wie entsteht es und kann es trainiert werden? Darüber spreche ich in diesem Interview mit Mentaltrainer Werner Mittelberger. Er hat für uns Tipps für mehr Ausstrahlung in allen Lebenslagen.
Wie definierst du Charisma?
Werner: Eine gute Frage! Charisma ist eine begehrte, zugleich aber auch schwierig zu fassende Eigenschaft, weil sie meiner Meinung nach aus unterschiedlichen Zuschreibungen von Eigenschaften besteht.
„Charisma“ entsteht im Kopf. Charismatische Menschen strahlen eine positive Atmosphäre aus und ragen dadurch aus der Masse heraus. Sie inspirieren damit andere Menschen und ziehen sie quasi in ihren Bann.
Wenn wir von Charisma sprechen, dann ist das eine Mischung aus vielen unterschiedlichen Eigenschaften. Selbstakzeptanz und ein gesundes Selbstbewusstsein, aber auch Humor und Gelassenheit gehören dazu. Und natürlich auch ein souveränes, persönliches Auftreten.
Ist Charisma angeboren oder kann es trainiert werden?
Werner: Ich würde sagen, beides. Zum kleineren Teil angeboren, zum überwiegenden Teil angeeignet. Manche Menschen werden sich bereits von Klein auf ihrer besonderen Wirkung auf andere Menschen bewusst und setzen sie bewusst ein.
Aber bei den meisten Menschen entwickelt sich ihr charismatisches Auftreten im Laufe ihres Lebens. Zum größeren Teil ist Ausstrahlung erlernbar und kann bewusst entwickelt werden.
Findet eigentlich jeder die gleichen Menschen charismatisch oder ist das individuell, wen man charismatisch findet und wen nicht?
Werner: Charisma hat etwas mit dem persönlichen Fokus zu tun. Wenn jemand zum Beispiel die Errungenschaften eines Menschen bewundert, wird er ihn dafür wahrscheinlich auch charismatisch empfinden. Bewunderung und Charisma gehen hier Hand in Hand.
Schauspieler und Sänger sind ein gutes Beispiel dafür. Sie trainieren die Wirkung ihres Auftretens und setzen es bewusst ein – das ist eine Grundvoraussetzung für ihren Beruf. Bin ich ein Fan dieses Schauspielers und mag ich die Rollen und Figuren, die er verkörpert, werde ich ihn wahrscheinlich charismatisch finden. Ist das nicht der Fall, werde ich ihn vermutlich ganz anders beurteilen.
Welche Eigenschaften machen einen charismatischen Menschen aus?
Werner: Ein charismatischer Mensch wirkt zielorientiert, gelassen und selbstsicher. Meistens gehört dazu auch eine gute Portion Humor und ein Schuss Selbstironie. Das kann auch bedeuten, eigene Schwächen zuzugeben. In einer Zeit, in der sich viele möglichst perfekt darstellen wollen, macht das sympathisch.
Wer um seine Fähigkeiten, Stärken und Schwächen weiß, muss sich nicht verstellen oder krampfhaft versuchen, andere zu beeindrucken. Gerade diese Selbstsicherheit wirkt anziehend.
Eine positive Ausstrahlung zu haben, bedeutet auch, eine nachhaltige Wirkung auf andere Menschen zu haben. Solche Menschen haben eine deeskalierende und bestärkende Wirkung auf andere und beweisen mentale Stärke in schwierigen Situationen. Das vermittelt Sicherheit.
Ein weiteres Merkmal ist für mich auch, dass solche Menschen ausstrahlen, dass sie sich über Grenzen hinwegsetzen. Sie gehen dabei oft über Limits und sind bereit, Regeln zu brechen, um das Machbare neu zu definieren.
Gibt es verschiedene Arten von Charisma?
Werner: Ich nehme das nicht so wahr. Wie schon vorhin gesagt, ist charismatische Ausstrahlung immer individuell und bezieht sich auf die Umstände und die Person selbst.
Daher wird sie oft ganz unterschiedlich wahrgenommen, im Kern ist es aber immer mit einer starken und selbstsicheren Persönlichkeit und selbstsicherem Handeln verbunden.
Wie stark hat persönliche Ausstrahlung mit Emotionen zu tun?
Werner: Emotionen spielen eine wichtige Rolle. Denn Charisma erzeugt ja Emotionen in unserem Gegenüber.
Andererseits – wenn ich innerlich etwas Abstand gewinnen kann, ist es mir möglich, gelassener mit unterschiedlichen Situationen umzugehen. Ich lasse mich dann nicht so schnell von starken Emotionen mitreißen und drifte nicht so leicht in negative Stimmungen ab. Das lässt mich gelassener reagieren und trägt natürlich zu einer charismatischen Ausstrahlung bei.
Gibt es einen besonders wichtigen Bestanteil für unser Charisma?
Werner: Ja, den gibt es. Das persönliche Mindset. Es bestimmt, wie wir mit uns umgehen und wie wir über uns, die Welt und andere denken. Dadurch bestimmt es entscheidend mit, was wir ausstrahlen.
Das persönliche Mindset drückt sich in allen unseren Handlungen aus, die wir setzen. Es ist neben unserer Körpersprache, Mimik, Gestik und Stimme der entscheidende Teil unserer persönlichen Ausstrahlung. Das Mindset ist eine Ebene, die wir an andere kommunizieren, ganz ohne Worte, und es wird intuitiv von jedem Menschen wahrgenommen, mit dem wir zu tun haben. Ein positives Mindset erschafft eine gute Stimmung.
Wie kann man Charisma trainieren?
Werner: Charisma beginnt damit, welches Bild man über sich selbst im Kopf hat und wie man sich selbst beurteilt. Also wie wir mit uns selbst und anderen umgehen.
Viele Menschen neigen dazu, sehr hart mit sich selbst ins Gericht zu gehen. Das trägt natürlich nicht unbedingt zu einer charismatischen Ausstrahlung bei. Wenn man wohlwollend und liebevoll mit sich umgeht, ist das ein erster wichtiger Schritt, um auch von anderen als charismatisch wahrgenommen zu werden.
Wenn man sich z.B. angewöhnt, bewusst dankbar zu sein für die vielen kleinen schönen Dinge, die einem täglich widerfahren, führt das zu einer positiven Grundeinstellung und in der Folge zu einer entsprechenden Ausstrahlung. Wahrscheinlich wird man früher oder später auch auf limitierende Glaubenssätze stoßen. Diese zu verändern hat auch eine nachhaltige Wirkung auf die persönliche Ausstrahlung.
Wie lange dauert es, um die eigene Ausstrahlung nachhaltig zu verändern?
Werner: Das kommt ganz auf den Menschen an. Welche Bereiche er oder sie an sich verändern möchte und wie tiefgreifend diese Veränderungen sind.
Um sein charismatisches Auftreten auf einer Bühne zu verbessern, kann man im Außen die Körperhaltung, Gestik und die Rhetorik trainieren. Aber das ist nur ein kleiner Teil des Ganzen. Denn zu jedem charismatischen Auftritt gehört auch Selbstsicherheit.
Auch hier gibt es viele unterschiedliche Methoden und Techniken – etwa um die Wirkung von Lampenfieber zu reduzieren. Man muss sich mit den Veränderungen selbst wohlfühlen und sie innerlich annehmen können, sonst entwickelt man innere Widerstände, und das wäre kontraproduktiv. Solche Veränderungen benötigen Zeit.
Gibt es spezielle Tipps für Introvertierte, um mehr Charisma auszustrahlen?
Werner: Die Erwartung, dass ein introvertierter Mensch sich quasi „über Nacht“ in das Gegenteil verwandeln kann, ist etwas überzogen. Aber natürlich können auch „leise“ Menschen mit dem richtigen Training ihre Wirkung auf andere gezielt verbessern.
Zuerst stellt sich die Frage – warum ist jemand introvertiert? Weil er oder sie dazu neigt, die Menschen und Situationen zu analysieren? Oder vielleicht hat sich im Kopf die Meinung festgesetzt, dass man nichts Falsches sagen will, und deshalb lieber gar nichts sagt. Möglicherweise haben auch bestimmte Ereignisse aus der Vergangenheit diese Einstellung und das negative Selbstbild bestärkt.
Darum gilt es zuerst einmal, die Ursache herauszufinden. Dann kann man schrittweise das Selbstbewusstsein stärken und sich der eigenen persönlichen Stärken bewusst werden. Wer wenig spricht, kann seine Achtsamkeit einsetzen, um sich zu einem aktiven, guten Zuhörer entwickeln. Als guter Zuhörer ist man überall willkommen.
Ein kleiner Tipp, der die grundlegende Stimmung etwas auflockern kann, wäre zum Beispiel, dass man sich vorstellt, man trifft eine Runde interessanter Menschen. Freunde, die sich freuen, dich kennenzulernen und die daran interessiert sind, mehr von dir zu erfahren. Man kann das mit einem persönlich erlebten „Wohlfühl-Gefühl“ von Situationen aus der Vergangenheit verbinden. So wird es mehr zu einem „Gefühl“, als zu einer reinen Affirmation im Kopf.
Das kann dazu beitragen, ein wenig innere Barrieren abzubauen und helfen, dass man besser aus sich herausgehen kann und sich unter Fremden Menschen schneller wohlfühlt. Aber auch das muss geübt und öfter wiederholt werden, bis es zu einer Gewohnheit geworden ist und man es sicher abrufen kann.
Bietest du als Mentaltrainer ein Training dazu an?
Werner: Ja natürlich, denn Charisma ist eindeutig Kopfsache. Wenn jemand an diesem Aspekt seiner Persönlichkeit arbeiten möchte, sehen wir uns gemeinsam die Details an. Ich analysiere mit meinem Klienten zuerst gemeinsam die Umstände und entwickle anschließend passende Ziele.
Dann unterstütze und begleite ich Schritt für Schritt die Umsetzung. Am Ende steht ein Lächeln, mehr Selbstbewusstsein, ein Wohlfühlen und natürlich Erfolg im sozialen Umfeld und Beruf.
Über den Interviewpartner
Werner Mittelberger ist Dipl. Trainer und Gründer von MindMatters. Seine Leidenschaft gilt dem Mentaltraining. Er entwickelt Mentaltechniken und verbessert Denkstrategien, um damit seine Klienten bei der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen.