Streitpunkt Sorgerecht

Streit ums Sorgerecht

Rechtsanwalt Mag. Florian Kuch gibt Tipps, was beim Sorgerecht zu beachten ist

Was ist beim Sorgerecht zu beachten?; Bildquelle: istockphoto, Lise Gagne

Das Sorgerecht über ein gemeinsames Kind bildet in einer gescheiterten Ehe oft den Zündstoff für gerichtliche Auseinandersetzungen. Worauf sollten unsere Userinnen achten, wenn es um das Sorgerecht geht?

Kuch: Dazu wäre vielleicht eingangs zu sagen, dass das Sorgerecht selbst, also die Berechtigung und Verpflichtung zur Pflege und Erziehung eines Kindes sowie dessen Vermögensverwaltung und Vertretung, nach meiner persönlichen Erfahrung meist nicht so sehr den Streitpunkt bildet. Vielmehr geht es bei solchen Verfahren schon des Öfteren um gekränkten Stolz, der bedauerlicherweise am Rücken der Kinder ausgetragen wird.

Das ist aber auch ganz klar. Hat man sich einmal von einem Partner getrennt, so entfernt man sich im Laufe der Jahre geistig von diesem. Männer sehen dann vielleicht die Unterhaltszahlungen als Ungerechtigkeit an, oder Frauen sind gekränkt, wenn der Exgatte plötzlich eine neue Partnerin hat. Das sind dann die Fälle, wo sich die Eltern über das Kind die eine oder andere „Nettigkeit“ ausrichten und in weiterer Folge ein Sorgerechtsstreit entstehen kann. Generell sollte ein Streit um die Obsorge aber nur dem Wohl des Kindes dienen. Aber ich möchte die Sorgerechtsstreitigkeiten keineswegs verallgemeinern.

Wie sehen die Rechte und Pflichten beim Sorgerecht aus?

Kuch: Die meisten Paare entscheiden sich heute für ein geteiltes Sorgerecht, was einerseits gut ist, da Männer nun auch mehr Verantwortung übernehmen. Auf der anderen Seite gilt auch hier das soeben gesagte. Kommt es nämlich zur Entfremdung mit dem oder der Ex, dann kann das Sorgerecht schon mal einen gehörigen Streitpunkt bilden. Ganz plötzlich wird dann ein Antrag auf alleinige Obsorge gestellt, der im Übrigen keiner Begründung bedarf, und schon sehen sich alle Beteiligten bei Gericht wieder.

Ich würde Frauen daher die alleinige Obsorge anraten, weil dadurch klare Linien geschaffen werden. Natürlich hat man da im Vorfeld Überzeugungsarbeit beim anderen Elternteil zu leisten, aber ich denke, wenn man den Ex davon überzeugen kann, dass das alleinige Sorgerecht nicht automatisch die Aufgabe sämtlicher Rechte für den Vater bedeutet, so wird man vielleicht zu einem vernünftigen Ergebnis kommen. Denn selbst ohne das Sorgerecht bleiben dem Vater ja grundsätzlich noch immer das Besuchsrecht sowie das Informationsrecht und Äußerungsrecht erhalten

Was passiert, wenn sich die Eltern nun aber nicht einigen können, ob sie ein gemeinsames oder alleiniges Sorgerecht haben wollen?

Was ist beim Sorgerecht zu beachten?; Bildquelle: istockphoto, Lise Gagne

Kuch: Wenn innerhalb angemessener Frist keine Vereinbarung zwischen den Eltern zustande kommt, sei es über den Aufenthaltsort des Kindes, sei es über die Betrauung mit dem alleinigen Sorgerecht, so entscheidet das Gericht von Amts wegen, wer das Sorgerecht erhält. Vorweg unternimmt das Gericht jedoch den Versuch auf eine gütliche Einigung. Wichtig ist eine solche Einigung jedenfalls bei einem Antrag auf einvernehmliche Scheidung. Hier wird nämlich vorausgesetzt, dass über diesen Punkt eine Einigung herrscht.

Mit anderen Worten, ein gemeinsames Sorgerecht kommt nur dann zustande, wenn ein gemeinsamer Antrag der Eltern vorliegt?

Kuch: Richtig, das gemeinsame Sorgerecht setzt immer einen gemeinsamen Antrag der Eltern voraus. Sie haben dann auch die gleichen Rechte und Pflichten, welche sie vom Gesetzeswortlaut „tunlichst einvernehmlich“ auszuüben haben.

Zusätzlich muss natürlich auch Einigkeit darüber bestehen, bei welchem Elternteil sich das Kind zukünftig hauptsächlich aufhalten soll. Hintergrund ist, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht einen wesentlichen Bestandteil des Sorgerechts darstellt. Kommt keine Einigung zustande, dann muss ein Elternteil einen Antrag auf Übertragung des Sorgerechts an ihn beim Pflegschaftsgericht einbringen.

Ein weiterer Aspekt, den man hier erwähnen sollte, ist das Anhörungsrecht des Kindes. Das Gesetz sieht vor, dass auch die Kinder vom Richter oder von der Richterin gehört werden sollen, sofern sie schon die nötige Einsichtsfähigkeit haben. Bei Minderjährigen kann es daher sein, dass sie vom Jugendwohlfahrtsträger befragt werden und sich dieser quasi als Sachverständiger ein Bild davon macht, dass die Entwicklung und die Gesundheit des Kindes durch die Obsorge gefördert werden und dass etwa der Wunsch des Kindes, bei der Mutter oder beim Vater zu bleiben, unbeeinflusst ist.

Welche Kriterien sind für das Gericht bei der Zuweisung des Sorgerechts entscheidend?

Kuch: Das Gericht hat sich am Wohl des Kindes zu orientieren. Dieser Begriff ist aber im Gesetz nicht wirklich definiert, sondern versteht man darunter einen Zusammenschau mehrerer Aspekte, wie etwa Bedürfnisse und Entwicklungsfähigkeit des Kindes oder die emotionale Bindung.

Ebenso wird geprüft, ob beispielsweise Geschwister vorhanden sind, oder was dem Wunsch des Kindes entspricht, wie bereits zuvor erwähnt. Aus diesen Kriterien, also aus der Zusammenschau, wird dann eine Zukunftsprognose erstellt. Es kann sogar sein, dass vom Gericht ein psychologisches Sachverständigengutachten eingeholt wird, damit die Entscheidung auf einer Grundlage basiert.

Kann die Entscheidung des Gerichtes auch bekämpft werden?

Kuch: Ja natürlich. Die gerichtliche Entscheidung ergeht über einen Beschluss, der binnen 14 Tagen ab der Zustellung mit einem Rechtmittel, einem Rekurs, angefochten werden kann. Es kann unter gewissen Voraussetzungen sogar soweit gehen, dass sich der Oberste Gerichtshof mit der Sache befassen muss. Das geschieht aber nur in seltenen Fällen.

Natürlich kann gegen die gerichtliche Entscheidung auch noch zu einem späteren Zeitpunkt etwas unternommen werden. Damit meine ich einen Antrag auf Übertragung des Sorgerechts. Dieser Antrag wird aber nur dann erfolgreich sein, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist, also schwerwiegende bzw. besonders wichtige Gründe vorliegen und durch einen Wechsel des Sorgerechts eine verbesserte Lebenssituation fürs Kind erreicht werden kann.

Was ist beim Sorgerecht zu beachten?; © istockphoto, Lise Gagne
Was ist beim Sorgerecht zu beachten?; © istockphoto, Lise Gagne

Auch die Entziehung des Sorgerechts vom Amts wegen kommt in Frage, wobei dies sind dann schon eher die Notmaßnahmen, wie wir sie eher aus der Zeitung kennen, wenn also die elterlichen Pflichten gröblich vernachlässigt werden oder Fälle der Gewalt vorliegen.

Sie haben eingangs das Besuchsrecht sowie das Äußerungs- und Informationsrecht erwähnt. Was sollte dabei beachtet werden?

Kuch: Beim Besuchsrecht sollte jedem zuerst einmal bewusst sein, dass der andere Elternteil, bei dem das Kind nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, ein Recht auf persönlichen Verkehr mit dem Kind hat. Ich habe schon Fälle erlebt, wo ein Elternteil aufgrund der persönlichen Differenz zum anderen Elternteil, diesem das Besuchsrecht entziehen wollte.
So etwas ist aber nicht wirklich möglich bzw. kann nur bei einer Gefährdung des Wohl des Kindes in diese Richtung gedacht werden. Und selbst dann gebe es immer noch die Möglichkeit das Besuchsrecht mit einer Besuchsbegleitung, also einer geeigneten Stelle wie der Jugendwohlfahrt, auszuüben. Gleichzeitig muss man davor warnen, dem anderen ungerechtfertigt das Besuchsrecht zu verweigern, da der Schuss nach hinten losgehen kann und sogar dazu führen kann, dass einem selbst das Sorgerecht entzogen wird. Ich kann daher nur empfehlen, dass Eltern eine klare Besuchsregelung schaffen sollten, nämlich an welchen Tagen und wie oft im Monat der andere sein Besuchsrecht ausüben darf. Vor allem sollte man dabei auch die Feiertage und die Ferien mit einbeziehen, denn hier gibt es in der Praxis immer wieder Streitigkeiten, was aber auch rein menschlich nachvollziehbar ist.
Ein Beispiel: Mann und Frau lassen sich scheiden, die Kinder leben bei ihr und es kommt das erste Weihnachten nach der Trennung. Jetzt ist Heilig Abend. Einer der beiden Eltern wird vermutlich zwangsläufig alleine zu Hause sitzen. Genau aus diesem Grund empfehle ich meinen Mandanten solche Tage von vornherein zu regeln. Also beispielsweise für Weihnachten: ein Jahr bei ihr und im Jahr darauf bei ihm.
Solche Regelungen können mitunter dazu beitragen, dass ein Streit um das Sorgerecht vermieden wird. Mit dem Urlaub sollte man genauso verfahren. Wichtig ist auch, dass Beginn und Ende der Besuchszeit klar und eindeutig formuliert werden; nämlich konkret so, dass sie im schlimmsten Fall auch zwangsweise, also mit Hilfe des Gerichts, durchgesetzt werden kann. Man sollte auch bedenken, dass der Sinn und Zweck des Besuchsrechtes darin liegt, die Beziehung zwischen dem Elternteil und dem Kind aufrechtzuerhalten, um also eine Entfremdung möglichst zu verhindern. Es ist den Eltern daher zu empfehlen, dass der Kontakt schon eine gewisse Intensität hat

Jetzt kommt es in der Praxis aber immer wieder vor, dass diese Intensität von einem Elternteil nicht so ernst genommen wird, bzw. dass die Besuchsregelung nicht eingehalten wird. Kann der besuchende Elternteil seine Besuchstage auch verschieben, wenn sie einmal nicht wahrgenommen wurden?

Kuch: Ersatzbesuche, nein sie sind grundsätzlich nicht zu gewähren. Ich sage aber bewusst grundsätzlich, weil Ausnahmen kann es auch hier geben. Zum Beispiel, wenn es zu einer unzumutbaren langen Kontaktunterbrechung kommen würde. Wenn etwa der Kindesvater einen anderen Dienstplan zugewiesen bekommt, und er dadurch sein Besuchsrecht nicht mehr ausüben kann. Das wäre dann ein Fall, wo es bei den Besuchstagen zu einer Änderung kommen kann.

In welchem Ausmaß ist das Besuchsrecht zu gewähren, oder wird das auch vom Gericht festgelegt?

Kuch: Auch hier ist das Wohl des Kindes maßgeblich. Die Gerichte halten sich in den meisten Fällen an eher starre Besuchstage. So werden für Kinder bis zu zwei Jahren meist nur alle zwei Wochen Besuchstage oder sogar nur Besuchsstunden eingeräumt. Bei Kindern über 6 Jahren ist da schon mehr drin, hier gewähren die Gerichte ganze Wochenenden oder auch Urlaube. Generell kann man sagen, ein Besuchsrecht soll alle 14 Tage ausgeübt werden können.

Kommen wir jetzt zum Informations- und Äußerungsrecht. Was muss dem nicht Obsorgeberechtigten mitgeteilt werden?

Kuch: Unter Informationsrecht versteht man alle wichtigen Informationen, die das Kind betreffen und über die der andere Elternteil rechtzeitig verständigt werden soll. Als Beispiele wären etwa anzuführen ein Namens-, Religions- oder Staatsbürgerschaftswechsel, eine lebensbedrohende Erkrankung, der Schulerfolg oder Angelegenheiten, die über das Gewöhnliche hinausgehen, wie ein Gerichtsverfahren.
Aber auch dem Informationsrecht sind Grenzen gesetzt und könnte es auch zu Beschränkungen kommen, wenn es zum Beispiel zu einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung dieses Rechtes kommt. Das Gericht kann dann das Recht beschränken und sogar ganz entziehen.

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