Frauentag 2021: Rückfall statt Fortschritt
Für Frauen in Österreich gibt es in punkto Gleichberechtigung keinen Fortschritt. Seit Covid19 die täglichen Nachrichten beherrscht, scheinen frauenpolitische Forderungen und Themen rund um Geschlechtergerechtigkeit komplett vom Radar verschwunden zu sein. Es ist sogar ein Rückfall in tradierte Rollenmuster zu bemerken, stellt Rechtsanwältin Katharina Braun anlässlich des Frauentag 2021 am 8. März ernüchternd fest. Das beleuchtet sie näher im folgenden Gastbeitrag bei Women30plus:
Frauen sind die großen Verliererinnen der Corona-Krise: höhere Arbeitslosigkeit, mehr unbezahlte Sorgearbeit und weiterhin schlechtere Bezahlung. Veranstaltungen, auf welchen die Tüchtigkeit von uns Frauen gerühmt wird, brauchen wir nicht. Mit Kaffee und Kuchen hat man noch nie eine gesellschaftliche Änderung erreicht. Wir fordern Maßnahmen.
Im April beklatscht – weiterhin unterbezahlt
Obwohl sich durch die Krise viele Berufe (z.B. in Supermärkten, Krankenhäusern, Pflege…) als systemrelevant herausgestellt haben, macht sich dies am Lohnzettel nicht bemerkbar.
Gerade in den sog. systemrelevanten Branchen arbeiten mehrheitlich Frauen – unterbezahlt und in atypischen Beschäftigungsverhältnissen wie Teilzeit oder Leiharbeit.
So sind Frauen auch besonders von der Corona-Arbeitslosigkeit betroffen. Die gebeutelten Branchen (Tourismus, Gastronomie, Handel) haben einen hohen Frauenanteil bei den Beschäftigten. Deswegen wundert es nicht, dass Frauen mit 47 Prozent einen höheren Anstieg bei der Arbeitslosigkeit haben als Männer (42,3 Prozent).
Das Einkommen der Frauen in Österreich liegt immer noch deutlich unter jenem der Männer. Aktuell beläuft sich der Gender Pay Gap auf 14,3 Prozent, umgerechnet sind das 52 Kalendertage, die Frauen unbezahlt arbeiten.
Besonders stark sind Alleinverdienerinnen von der Coronakrise betroffen: sind sie doch mit durchschnittlich 15 Stunden Arbeit pro Tag die am stärksten Belasteten. Diese Zahl ergibt sich aus rund neun Stunden Haus- und Betreuungsarbeit und zusätzlich sechs Stunden Erwerbsarbeit. Den vielen Stunden zum Trotz sind sie mit 42 Prozent überproportional stark von Armut und Ausgrenzung betroffen.
Zurück an den Herd bzw. brav zu Hause bleiben
Die Corona-Krise bedeutet für viele Frauen auch einen Rückschritt in Sachen Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung. Distance Learning und Homeschooling wurde erfolgreich hauptsächlich an Frauen delegiert – ohne jeglichen finanziellen Ausgleich. Neben Homeoffice bleibt an den Frauen auch ein Großteil der Hausarbeit hängen, von Halbe:Halbe sind wir weit entfernt.
Ich kenne viele Frauen die ihren Beruf, wenn nicht ganz aufgegeben, so doch stark wegen der Familie reduziert haben. Das fällt vielen im Zuge einer Scheidung auf den Kopf. Frauen fragen mich dann, warum die sog. Carearbeit in keinster Weise berücksichtigt wird. Die ernüchternde Antwort ist jedoch, einen derartigen Ausgleich gibt es in Österreich nicht.
Krisenzeiten, wie die Covid 19-Krise, wirken sich langfristig negativ auf das Einkommen aus. Jedes fehlende Erwerbsjahr reduziert das Lebenseinkommen der Frauen aufgrund der im Durchschnitt geringeren Anzahl an Erwerbsjahren.
Erwerbsbiographien, die durch Kindererziehung und Familienarbeit Lücken aufweisen, schlagen sich in niedrigeren Pensionen und einem höheren Armutsrisiko nieder.
“ Ich denke, es ist Zeit, daran zu erinnern: Die Vision des Feminismus ist nicht eine „weibliche Zukunft“. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn“. Johanna Dohnal, Ikone der Frauenbewegung und erste Frauenministerin Österreichs.
Welche Maßnahmen sind notwendig für mehr Geschlechtergerechtigkeit?
Zum Internationalen Frauentag 2021 fordere ich wichtige Maßnahmen, die zur Gleichberechtigung beitragen:
Es braucht endlich kostenlose bundesweite Kinderbetreuung. Nur so ist eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich.
Es bedarf außerdem nach dem Vorbild des deutschen Vorsorgeausgleichs (Deutschland hat diesen bereits 2009 eingeführt) der Einführung eines verpflichtenden Pensionssplittings. Mit diesem erfolgt unter Ehepartnern ein Ausgleich der Pensionsgutschriften.
Ein derartiges Splitting sollte aber, entgegen den letzten Reformvorschlägen, für die gesamte Ehedauer gelten ohne Opt-out Möglichkeit. D.h. ohne Option dieses Splitting abzulehnen.
Das Thema Pensionssplitting ist jedoch vollkommen in der Versenkung verschwunden, obwohl die Wichtigkeit oftmals angeführt wurde.
Vielleicht sollten hier die Überlegungen sogar darüber hinaus in Richtung eines verpflichtenden Familienkontos gehen, auf welches die Gehälter von Mann und Frau eingezahlt werden und von welchem die Familienfixkosten wie Miete etc. bezahlt würden. Dann hätten beiden Partner nicht nur Kenntnis über das eheliche Vermögen, sondern auch Zugriff auf dieses.
Es sollte, auch nach dem Vorbild Deutschlands, ein Betreuungsunterhalt für die Lebensgefährtin eingeführt werden. Dieser sollte für die ersten drei Lebensjahre des Kindes einen finanziellen Ausgleich für die Lebensgefährtin vorsehen und damit dem Umstand Rechnung tragen, dass die eigene Erwerbsfähigkeit durch die Betreuung eines kleinen Kindes stark eingeschränkt ist.
Die Einführung einer Kindesunterhaltsgarantie wäre ebenfalls wichtig. Momentan ist für die Gewährung von Kindesunterhaltsvorschuss durch den Staat Voraussetzung, dass ein Exekutionstitel überhaupt besteht. Die Unterhaltsverfahren können sich jedoch sehr in die Länge ziehen, wodurch der kinderbetreuende Elternteil, meist Mütter, in eine sehr prekäre Situation kommen können.
Eine Kindesunterhaltssicherung im monatlichen Ausmaß des einfachen Regelbedarfs könnte Abhilfe schaffen. Beim Regelbedarf handelt es sich um den von der Statistik Austria festgestellten Durchschnittsbedarf eines Kindes. Diese Forderung der Kindesunterhaltssicherung wurde schon mehrfach vorgebracht, bis dato jedoch ergebnislos.
Generell ist eine Reform des Kindesunterhaltsrecht dringend notwendig. Es ist nicht nur unübersichtlich gestaltet, sondern auch ungerecht. Der Regelbedarf wird z.B. jährlich lediglich indexiert, die Kinderkostenstudie, welche dem Regelbedarf zugrunde liegt, stammt aus dem Jahr 1964 (!).
Der Warenkorb hat sich aber seither enorm geändert. Der Regelbedarfsatz für ein 14 Jahre altes Kind beträgt aktuell 402 Euro. Laut einer Referenzstudie der Schuldnerberatung liegt der Bedarf eines 14-jährigen Kindes mit 840 Euro mehr als doppelt so hoch.
Am 5.3.2021 fand auf Initiative des Vereins feministischer Alleinerzieherinnen eine Frauenkundgebung am Wiener Minoritenplatz, bei der ich zu einem Statement eingeladen war. Dank an Andrea Czak, Obfrau des Vereins feministischer Alleinerzieherinnen, für die tolle Organsiation.
Lächeln und Nicken ist zu wenig
Um diese Maßnahmen einzufordern und auf den Weg zu bringen, braucht es die Initiative von uns mutigen, selbstbewussten Frauen. Bereits Johanna Dohnal sagte:
Die Frauen haben immer nur erreicht, was sie sich selbst erkämpft haben.“
Leider kam die österreichische Frauenministerin der Einladung zur Frauenkundgebung am 5.3.2021 nicht nach. Ich vermisse generell ein Statement aus dem Ministerium zu diesen wichtigen Themen.
Über die Autorin
Rechtsanwältin Mag. Katharina Braun steht ihren Klienten mit ihrer langjährigen juristischen Praxiserfahrung im Ehe- und Familienrecht zur Verfügung. Sie setzt auf die Verbindung von Recht, Kreativität und Medien.