Scheidungsgrund: Kein Sex mehr in der Ehe

kein Sex in der Ehe

In vielen Ehen herrscht sexuelle Flaute, aber nicht immer in gegenseitigem Einvernehmen. Oft möchte der eine Partner sexuell aktiv sein, der andere hingegen nicht. Gerade in längeren Beziehungen ist das oft ein Thema, das zu Konflikten führt.

Wie die Verweigerung von Sex in der Ehe bei einer Scheidung beurteilt wird, erklärt Rechtsanwältin Mag. Katharina Braun in diesem Gastbeitrag. Sie erläutert, wann Sexverweigerung als Verschuldensgrund angeführt werden kann und wann nicht.

Bei Scheidungen wird oft dreckige Wäsche gewaschen, aber nicht nur das: es geht auch ganz oft um Intimitäten.

So kann es sein, dass Personen vor Gericht Dinge erzählen müssen, die sie bis dato nicht mal der besten Freundin anvertrauen wollten. Die Richter schlüpfen quasi unter die Bettdecke des Ehepaares und fordern zur Offenlegung intimer Details aus dem Sexleben des Paares auf. So musste schon mancher Mann vor Gericht demonstrieren, wie nun das Begrüßungsbussi mit seiner Bekannten genau aussah.

Auch in Familiengerichten anderer Länder rückt Sex mitunter in den Mittelpunkt eines Verfahrens. Aktuell sorgt in Frankreich ein Urteil rund um Sex bzw. Nichtsex in der Ehe für Aufsehen. Eine 66-jährige Französin wurde schuldig geschieden, weil sie ihrem Mann den Sex verweigert habe. Das Urteil ist mittlerweile höchstgerichtlich bestätigt.

Sexuelle Verweigerung kann auch hierzulande einen Verschuldensgrund für eine Scheidung darstellen. Das alleine ist noch nicht bemerkenswert. Allerdings ist Voraussetzung für das Verschulden in diesem Fall, dass der Sex grundlos verweigert wurde.

Im französischen Fall hatte die Frau zwar ihre Josefsehe mit wiederholter Gewalt des Mannes und gesundheitlichen Aspekten begründet. Nur haben diese Argumente den französischen Gerichten nicht gereicht.

Wie ist das nun mit dem Nichtsex und dem Verschulden?

Als eines von wenigen Ländern in Europa kennt Österreich ebenfalls noch die Verschuldens-Scheidung. Hier wird zwischen dem alleinigen und dem überwiegenden Verschulden unterschieden. An diese Entscheidung sind unterhaltsrechtliche Folgen geknüpft.  

Der Sex (im Juristenjargon die geschlechtliche – sexuelle- Gemeinschaft genannt) findet zwar als solches im Gesetz keine Erwähnung, ist aber in der umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 90 ABGB) inkludiert. Deswegen gilt: Sex gehört grundsätzlich zu einer Ehe dazu.

Es können aber Gründe für Enthaltsamkeit angeführt werden, die nicht zu einem Verschulden führen. Das sind zum Beispiel:

  • Vorliegen einer Erkrankung
  • Eine gewisse Zeitspanne nach einer Geburt oder nach einem Unfall
  • Respektloses Verhalten
  • Untreue

Ein Mann, der seine Frau herabwürdigt oder erniedrigt, in dem er sie zum Beispiel hässlich nennt, kann dieser dann nicht ihr sexuelles Desinteresse vorwerfen.

Als Verschulden wird hingegen gewertet, wenn psychische Probleme als Grund für Sex-Unlust vorgebracht werden, fachkundige Hilfe aber abgelehnt wird. Auch das Aussperren des Ehepartners aus dem Schlafzimmer stellt ein Verschulden dar.

Immer wieder kommt es auch vor, dass jemand deshalb die Lust verliert, weil sich der Partner nicht mehr pflegt und sich gehen lässt. Mangelnde Hygiene stellt ebenso einen Verschuldensgrund dar.

Selbst Hunde, die im Ehebett schlafen, wurden bereits vor Gericht diskutiert (Gz 1 Ob 67/06v). Das Gericht stellte fest, dass das Haustier, das gegen den Willen des Partners im gemeinsamen Ehebett schläft, ein No-Go ist. Der Oberste Gerichtshof wies darauf hin, dass in einer Ehe auf die Bedürfnisse des Partners eingegangen und Rücksicht genommen werden muss.

scheidungsgrund
Hunde im Bett können zum Streitfall werden © pexels

Verweigerung ohne Grund führt zu Verschulden

Es gilt allgemein als nicht zumutbar, dem Partner ohne Grund das Sexualleben zu verweigern. So entschied der Oberste Gerichtshof (GZ  2 Ob 511/90) zugunsten eines Mannes, dessen Frau aus religiösen Gründen sexuell enthaltsam leben wollte. „Es hieße den Mann zu überfordern, würde man ihm die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft unter Ausschluss der Geschlechtsgemeinschaft aufzwingen“, so die Urteilsbegründung.

Um zu entscheiden, ob ein schuldhaftes Verhalten vorliegt, muss immer der Fall als Ganzes betrachtet werden. So könnte zum Beispiel die Verknüpfung des ehelichen Sex an Gegenleistungen als Lieblosigkeit gewürdigt werden. Das Beharren auf Sex, obwohl der andere krank ist, ist aber natürlich ebenso schuldhaft.

Voraussetzung für schuldhaftes Verhalten bei der Sexverweigerung ist, dass Sex trotz Aufforderung verweigert wurde.

Der Nachweis von Aufforderung zu Sex und dessen Verweigerung ist schwer

Der Nichtsex ist meist schwerer nachzuweisen als das Fremdgehen. Denn oft ist es ein schleichender Prozess: viele Paare schlafen in getrennten Schlafzimmern, weil z.B. einer der Partner schnarcht. Zunächst versucht der eine Partner den anderen noch zum Sex zu motivieren. Aber nach etlichen Versuchen, die mitunter auch peinlich sind und am Selbstbewusstsein kratzen, gibt der Partner gekränkt auf.

Wie soll er das nachweisen. Wer führt in einer Ehe schon ein Sex-Tagebuch, in dem er notiert, dass trotz Bitte der Sex verweigert wurde?

Auch die sexuellen Bedürfnisse können sich im Laufe der (Ehe-)Zeit verändern. Meist geschieht das nicht bei beiden Partnern im Gleichklang. So kann es sein, dass der eine Partner sich eine höhere Sexfrequenz wünscht, der andere hingegen eine niedrigere. Hier stellt sich dann die Frage, ab wann der Nichtsex als liebloses Verhalten und wann als Recht auf Selbstbestimmung des geschlechtlichen Bereichs gewertet wird.

Rechtlich unklar und nicht eindeutig ist, was in Bezug auf die Sexfrequenz als „normale Aktivität“ gilt, die das Gericht in der Entscheidung zu Gz 2 Ob 511/90 anführt.

Oftmals wird angeführt, dass eine Ehe, die gar nicht vollzogen wird, nichtig erklärt werden kann. Dies geht nicht, wenn eine sexverweigernde Haltung (z.B. in Folge einer psychischen Erkrankung) bereits vor der Eheschließung bekannt war. Hierzu gibt es bereits eine Entscheidung des OGH (Gz  7Ob 92/13z).

Fremdgehen ist keine gute Alternative

Wer in der Ehe zu wenig Sex bekommt, macht oft den Fehler, sich diesen woanders zu holen und fremdzugehen. Das ist zwar nachvollziehbar, da der Ehepartner in der Ehe nicht das bekommt, was er sich wünscht. Es ist jedoch fraglich, ob das zuständige Gericht dies auch so sieht.

Wer unfreiwillig enthaltsam lebt, ist besser beraten, die Scheidung einzureichen. So können nachteilige rechtliche Folgen vermieden werden.

Alternativ dazu können die Ehepartner eine verbindliche Regelung treffen in Form einer Trennungsvereinbarung. Denn grundsätzlich können die Ehepartner selbst bestimmen, wie sie ihre Ehe gestalten: auch in Bezug auf ihr Sexleben und Treue. Man muss sich darüber nur einig sein und sollte dies auch festhalten. In diesem Sinne „Let‘s talk about Sex“.

Über die Autorin

Rechtsanwältin Mag. Katharina Braun
Mag. Katharina Braun ©Doris Mitterer

Rechtsanwältin Mag. Katharina Braun steht ihren Klienten mit ihrer langjährigen juristischen Praxiserfahrung im Ehe- und Familienrecht zur Verfügung. Sie setzt auf die Verbindung von Recht, Kreativität und Medien.

Ähnliche Beiträge