Scheidung - was nun?
Rechtsanwalt Mag. Florian Kuch über den Unterhaltsanspruch nach einer Scheidung
Immer mehr Ehen werden in Österreich geschieden. Lag die Zahl der Ehescheidungen in den 80er und 90er Jahren noch bei rund 16.000 pro Jahr, wurde im Jahr 2001 erstmals die 20.000 Marke überschritten.
Seither bewegt sich die Scheidungsrate in etwa in diesem Bereich. Kurz gesagt, fast jede Zweite Ehe scheitert. Grund genug, dass wir diesem Bereich ein wenig Aufmerksamkeit zukommen lassen wollen und unseren Rechtsexperten Mag. Florian Kuch zu einem Interview gebeten haben.
Herr RA Mag. Kuch, welche Tipps können Sie unseren Leserinnen geben, wenn es darum geht, den Unterhaltsanspruch gegen den Ex-Ehegatten durchzusetzen?
Kuch: Ein Unterhaltsanspruch besteht nicht erst nach der Scheidung, sondern grundsätzlich auch bei aufrechter Ehe. Von Gesetzwegen haben die Ehegatten nach ihren Kräften und nach der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung ihrer Bedürfnisse beizutragen. Dh beide Ehegatten sind grundsätzlich zu einer Erwerbsfähigkeit verpflichtet, wenn sie nur so ihrer Beitragspflicht nachkommen können.
Das Gesetz berücksichtigt aber auch jene Ehen, in der nur einer der Ehegatten den gemeinsamen Haushalt führt. Dieser Ehegatte leistet dann seinen Beitrag durch die Haushaltsführung und hat gegen den anderen einen Unterhaltsanspruch, wobei eigene Einkünfte, nicht aber etwa das Pflegegeld, die Familienbeihilfe oder die Sozialhilfe, anzurechnen sind. Ist daher ein Ehegatte einkommenslos, so besteht ein Anspruch auf Unterhalt.
Wie hoch ist der Unterhaltsanspruch?
Kuch: Das Gesetz legt keine bestimmte Höhe fest, sondern spricht von „angemessen Unterhalt“. In der Praxis, also in einem Streitfall, greifen die Gerichte auf Prozentsätze zurück, wobei durch den Obersten Gerichtshof klar entschieden ist, dass die Prozentsatzmethode eine bloße Orientierung bilden soll. Bei den Prozentsätzen sind zwei Kriterien maßgebend. Verdienen beide, oder verdient nur einer. In der ersten Variante stehen 33% vom Nettoeinkommen, also von den tatsächlichen Einkünften in Geld oder geldwerten Leistungen, des verdienenden Ehegatten zu. Im zweiten Fall, wenn also beide Ehegatten verdienen, dann liegt der Satz bei 40% vom gemeinsamen Einkommen abzüglich des eigenen Verdienstes.
Zu beachten ist jedoch, dass diese Vorgabe des Gesetzes nur subsidiär besteht. Die Ehegatten können die Unterhaltsleistung auch einvernehmlich regeln. Wichtig ist auch, dass nicht immer alle Einkünfte des hauhaltsführenden Ehegatten in dieser Berechnung berücksichtigt werden. Handelt es sich beispielsweise um nur gelegentliche Einkünfte z.B. Nachhilfestunden, so bleiben diese unberücksichtigt, wenn sie nicht weiter ins Gewicht fallen. Ein weiterer ausschlaggebender Punkt ist die Frage nach unterhaltspflichtigen Kindern. Sind Kinder vorhanden, so sind von den zuerst genannten Prozentsätzen grundsätzlich pro Kind 4% abzuziehen. Also statt den ursprünglichen 40% bei einem gemeinsamen Verdienst, stünden dann nur 36% zu.
Wenn eine solche einvernehmliche Regelung getroffen wurde, kann von dieser auch abgegangen werden?
Kuch: Ja, dass ist möglich. Die Gerichte haben hier die Rechtsprechung entwickelt, dass wichtige Gründe, wie etwa eine Verbesserung oder Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation, die Geburt eines Kindes oder eine Arbeitsunfähigkeit, ein Abgehen von einer einmal getroffenen Regelung rechtfertigt. Was jedoch nicht möglich ist, viele Männer jedoch gerne eine solche Reglung hätten, ist, dass ihre Frauen auf den Unterhaltsanspruch im Vorhinein verzichten.
(Rechtssprechung: Stand Juni 2010)
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