Selbständigkeit oder Festanstellung - wie lässt sich Familie und Beruf besser vereinbaren?

Selbständig oder fest angestellt - was ist die bessere Wahl?

Heute eine persönliche Meinung. Eine ganz eigene Erfahrung zum Thema Selbstständigkeit und/oder Anstellung. Eine Angelegenheit, welche mich lang beschäftigt hat und immer noch tut. Als ich 2011 mit dem ersten Kind schwanger war, arbeitete ich Vollzeit. Als Kommunikationstrainerin mit Reisebereitschaft, das bedeutete ich fuhr montagmorgens in irgendeine Stadt in Deutschland. Hier gab ich bis freitags ein Seminar und fuhr wieder zurück. Alle paar Wochen hatte ich eine Ausgleichswoche. Toller Job, gute Seminarinhalte, sympathische Kollegen. Inhaltich wäre ich gerne nach der Elternzeit zurückgegangen. Aber die Rahmenbedingungen passten nicht.

Ganz klassisch ging ich ein Jahr in Elterngeldbezug. Elternzeit nahm ich zwei Jahre. Denn eine Vollzeitkrippe mit einem Lebensjahr waren für meinen Mann und nicht denkbar. Und ich konnte mir nicht vorstellen vier Nächte pro Woche im Hotel und nicht bei meiner Familie zu schlafen. Mein Mann nahm zwei Monate Elternzeit, parallel zu meiner.

Wie soll es beruflich für mich weitergehen?

Früher als erwartet, vermisste ich meinen Beruf. Als unsere Tochter vier Monate alt war, sehnte ich mich bereits nach beruflichen Aufgaben. Aber unsere Kleine abgeben? Nein, das kam für uns nicht in Frage. Ich machte eine Weiterbildung zum Systemischen Coach am Wochenende. So hatte ich wieder „etwas“ Beruf in meinem Leben. Und mein Mann betreute unsere Tochter.

Nach einem Jahr wieder Geld verdienen

Die Weiterbildung war super. Nur am Ende des Elterngeldbezugs wurde es dann knapp. Die Weiterbildung war zu Ende. Und ich dachte: Selbstständigkeit. Das ist die Lösung. Ich sah folgende Vorteile:

  • Ich kann mir meine Arbeitszeiten selbst einteilen
  • Ich kann mir meine Kunden und Aufträge gezielt suchen. Damit kann ich selbst die Entfernung und das Thema/die Branche bestimmen.
  • Ich kann mir die Menge meiner Arbeit einteilen.
  • Ich kann mich selbst verwirklichen. Mich frei entfalten und ausprobieren.
  • Für Trainerinnen und Coaches lässt sich pro Stunde gutes Geld verdienen. Das ist attraktiver als vorrübergehend in einem ungelernten Job zu gehen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicher zu stellen.

Da ich noch in Elternzeit war, war das Risiko nicht groß. Ich holte mir eine Erlaubnis meines Arbeitgebers und konnte direkt los starten. Zurück zu meinem Arbeitgeber hätte ich dann immer noch gekonnt.

Vorübergehend war das DIE Lösung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Carolin über ihren beruflichen Werdegang nach der Geburt ihrer Kinder.
© Carolin Habekost

Begeistert erstellte ich eine Website, machte Fotos und ein Logo. Die ersten Kunden waren durch mein Netzwerk schnell gefunden. Geld floss von vornherein. Es bereicherte mich und ließ sich super mit meiner Familie vereinbaren. Ich arbeite abends und am Wochenende. Unsere Kleine wurde bei meiner Schwiegermutter eingewöhnt und so konnte ich auch ab und zu mal einen Vormittag arbeiten.

Die Zeit verging. Wir bekamen 2014 unser zweites Kind. Ich ging von einer Elternzeit in die nächste über. Arbeitete nach dem Elterngeldbezug weiterhin selbstständig.

Nach einiger Zeit waren die Nachteile einer Selbstständigkeit spürbar

Immer abends arbeiten, meist am Wochenende – das schlauchte. Meine Kunden suchte ich eher nach Auftragsvolumen und Örtlichkeit aus. Weniger nach spannenden Inhalten. Je mehr ich verdiente, desto mehr musste ich an Steuern & Co. abgeben. Ich musste einen großen Teil meiner Arbeitszeit in Rechnungserstellung, Marketing, Steuerkrams, usw. investieren. Dinge, die mich nicht begeistern. Ich vermisste Kollegen, Weihnachtsfeiern und ein nettes Büro. Hier und da sprangen Kunden mal ab. Kein Budget mehr für dieses Jahr. Und schon sank mein Einkommen spontan. Das unregelmäßige Einkommen machte mich unruhig.

Auswirkungen für meinen Alltag

Inzwischen wurden beide Kinder vormittags fremdbetreut. Aber wenn ein Kind krank war, betreute ich es. Arzttermine für Nicht-Schulkinder gibt es nur vormittags. Also nahm ich diese Termine mit unseren Kids wahr. Der Fahrdienst zum Schwimmen im Kindergarten musste besetzt werden? Klar, kann ich machen. Bin ja zeitlich flexibel. Für mich fühlte es sich immer mehr so an, als würde ich alles um meine Familie drumrumplanen müssen.
Seminare wurden auch immer mehr während der Woche angefragt. Ich organisierte, dass mein Mann früher von der Arbeit kam, die Oma einsprang. Für einen Seminartag organsierte ich hin und her und wieder her und hin. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Organisation für ein Seminar mehr Zeit und Nerven in Anspruch nahm als die inhaltliche Vorbereitung. Auch wirkte Murphys Law: in der Nacht, bevor ich ein Seminar gab, wurde fast immer ein Kind krank oder schlief unruhig. Mein Mann sprang ein. Aber wenn mein Kind die halbe Nacht wach ist und weint, schlafe auch ich nicht gut.

Alles eine Frage der Organisation und der Prioritäten

Mehr das tun, was ich liebe. Dazu hatte ich Lust. Was konnte hier also die Lösung sein? Vielleicht doch eine Anstellung? Der bestehende Arbeitsvertrag war bereits aufgelöst, da es keine Möglichkeit der Teilzeit gab. Ich suchte nach einer neuen Anstellung. Fand hier und da mal eine Stelle, die mich etwas interessierte und bewarb mich. Aber Teilzeit, vor Ort und in meiner Branche fand ich nichts.
Also selbstständig bleiben, aber besser organisieren. Mein Mann übernahm mehr. Ich lernte Nein zu sagen, zu z. B. den Schwimmfahrten im Kindergarten. Ich gründete mein Online Coaching Business. So konnte ich weiterhin zu den Zeiten arbeiten, die mir passen. Hatte meine Lieblingszielgruppe. Und musste nun gar nicht mehr die Kinderbetreuung außerhalb des Kindergartens organisieren. Weil ich nur noch selten offline Tagesseminare gab. Ich gründete eine Online-Mastermind Gruppe. Die Idee dahinter: Austausch und Netzwerk. Das was mir an Kollegen fehlte, digital nach Hause holen.

Ich dachte, ich war angekommen

Die Online-Selbstständigkeit gefiel mir großartig. Ich war beflügelt. Konnte mich ausprobieren. Mehr Coach als Trainerin sein. Das entsprach dem, was mir liegt und mir Spaß machte. Mamas online zu begleiten und dazu beizutragen, dass sie mit mehr Leichtigkeit Familie und Beruf leben, erfüllte mich. Ist Selbstständigkeit die Lösung für meine Vereinbarkeit? Zu diesem Zeitpunkt hätte ich mit einem ganz klaren Ja geantwortet.

Und dann kam es anders

Meine Lebenszufriedenheit sank, ca. nach etwas über einem Jahr Onlineselbstständigkeit. Ich war unausgeglichen. Mich nervte mein Alltag. Die Fahrten zum Kindergarten, Kinderturnen & Co. waren Programmpunkte, die mich nicht begeisterten. Mir war klar, dass jetzt die Zeit mit unseren Kindern ist, an die wir uns erinnern werden. Ein Alter, in dem die Kids Lust haben, Zeit mit ihren Eltern zu verbringen. Ein Alter, wo man mit den Kids schon viel unternehmen kann. Eine Zeit, wo ein Waldspaziergang die Kinder völlig fasziniert. Und ich konnte diese Zeit immer weniger bewusst wahrnehmen. Was war mit mir los? Was stimmte mich unzufrieden?
Ich ging auf die Suche – in mir. Stellte fest, dass der Grund für meine Selbstständigkeit die Vereinbarkeit war. Ich war nie selbstständig, weil ich selbstständig sein wollte. Die Mastermind-Gruppe war toll (und existiert bis heute immer noch), aber ersetzt kein Büro mit Kollegen. Ich sehnte mich nach Teamarbeit. Nach Austausch mit Kollegen. Und auch nach Lernen und Weiterentwicklung. Ich realisierte: beruflich bin ich nicht 100% glücklich.

Viele Gespräche fanden in dieser Zeit statt. Viele Stunden mit mir und meinen Gedanken allein. Ich suchte neue Wege. Wie kann ich mich in der Selbstständigkeit verwirklichen, um meine Bedürfnisse zu erfüllen? Würde eine Anstellung mich mehr erfüllen?

Nur in der Selbstständigkeit kannst du dich verwirklichen

Das war ein fester Glaubenssatz von mir. Gerade im Online-Business wird es immer wieder gelebt: tue das, was du liebst. Selbstständig kannst du deine eigene Chefin sein. Und wenn du das tust, was du liebst, wird es funktionieren. Ich glaube, da ist viel dran. Aber heißt das im Umkehrschluss: in einer Anstellung kann ich nicht das tun, was ich liebe?

Ich durfte feststellen: doch auch in der Anstellung kannst du tun, was du liebst und dich frei fühlen

Ich öffnete mich geistig für die Option, in eine Anstellung zu gehen. Die Voraussetzung: nur wenn es richtig geil ist und ich „Finde dein Mama-Konzept“ weitermachen kann. Zwei Monate nach diesem Gedanken hatte ich das Vorstellungsgespräch. Nochmal drei Monate später hatte ich meinen ersten Arbeitstag in der Festanstellung.

Jetzt arbeite ich drei volle Tage als agile Beraterin in Anstellung. Bei einem familienfreundlichen und modernen Arbeitgeber. Teilzeit ist dort gut akzeptiert. Ich habe flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeiten, ein Eltern-Kind-Büro vor Ort (für Notsituationen wie z.B. Ferien oder Kitastreik). An den zwei „freien“ Vormittagen coache ich weiterhin Mütter online und unterstütze sie darin, ihren Weg der Vereinbarkeit zu finden.

Eine Festanstellung kann auch Freiheit bedeuten

Ich fühle mich seitdem sehr viel freier. Meine Lebenszufriedenheit ist stark gestiegen. Mein Mann hat seine Arbeitsstunden reduziert. Wir haben einen großen Schritt in Richtung gleichberechtige Elternschaft gemacht. Ich genieße das regelmäßige Einkommen plus die Möglichkeit, in der Selbstständigkeit beliebig viel dazu zu verdienen. Ich liebe es mit meinen Kollegen zusammen zu arbeiten, neues zu lernen, mich selbst beruflich zu fordern. Es begeistert mich an drei Tagen ins Büro oder zum Kunden zu fahren.

Ich habe jetzt öfter Urlaub. Weil ich in der Selbstständigkeit selten komplett Urlaub genommen habe. In den Ferien habe ich einfach abends und am Wochenende gearbeitet. Jetzt nehme ich meinen vertraglichen Urlaub und kann viel besser abschalten.

Wenn eins meiner Kinder krank ist, melden sich mein Mann und ich uns abwechselnd krank. Wir teilen uns solche Dinge jetzt viel mehr auf.

Anstellung vs. Selbstständigkeit

Dies ist mein Weg. Und mein Gefühl zur Selbstständigkeit und zu einer Festanstellung. Ich glaube, die Freiheit, die ich mit der Anstellung verbinde, verbinden andere mit der Selbstständigkeit. Es gibt keine pauschale Aussage darüber, was „besser“ ist. Und auch keine darüber, was der einfachere Weg für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist.

Ich möchte hier mit den Glaubenssätzen aufräumen, dass

  • Vereinbarkeit einfacher ist, wenn ein Elternteil selbstständig ist und
  • Du dich nur in der Selbstständigkeit selbst verwirklichen und frei fühlen kannst.

Beides KANN stimmen, muss es aber nicht. Natürlich hat es Vorteile, wenn ein Elternteil voll flexibel ist. Aber muss ich dafür selbstständig sein? Und macht mich diese volle Flexibilität zufrieden?

Die Selbstständigkeit kann dazu führen, dass du dein Herzensbusiness lebst. Es kann aber auch dazu führen, dass du Dinge tun musst, die dich nicht bereichern. Nicht jede hat Lust darauf, alles „drumrum“ mit abzudecken. Manche nehmen Aufträge an, die nicht das Herz zum Singen bringen. Nur um die eigene Auslastung sicher zu stellen.

Natürlich gibt es auch Beispiele von Selbstständigen, die ihr Herzensbusiness leben und mehr Anfragen haben als sie abdecken können. Alles ist möglich.

Finde du deine Wahrheit

Im ersten Schritt ist nicht wichtig zu entscheiden, ob selbstständig oder Anstellung. Erstmal ist wichtig, rauszufinden: was ist dir wichtig? Welche Rahmenbedingungen? Welche Inhalte? Wenn du hierauf Antworten hast, lohnt es sich in beide Richtungen zu schauen: Ist eine Selbstständigkeit ein möglicher Weg? Ist eine Anstellung eine erdenkliche Möglichkeit? Oder möchtest du beides gleichzeitig ausleben?

Ich wünsche dir, dass du deinen Weg findest. Gerne unterstütze ich dich dabei. In einem kostenfreien Strategiegespräch bringe ich dich einen Schritt weiter und wir können schauen, ob eine Zusammenarbeit erstrebenswert ist. Klicke hier  (www.carolinhabekost.de/gespraech-buchen) für weitere Infos.

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