Coaching-Serie: Co-Abhängigkeit
Co-Abhängigkeit beschreibt das unbewusste Verhalten von nahen Angehörigen suchtkranker Menschen. Sie sehen den/die Suchtkranke als Opfer und verhalten sich oft suchtfördernd. In unserer Gesellschaft ist Co-Abhängigkeit oft ein Tabuthema.
Life- und Business-Coach Alice Nilsson möchte über Co-Abhängigkeit und seine Folgen aufklären, dem Tabuthema mehr Sichtbarkeit verleihen und offen darüber sprechen. In diesem und dem nächsten Beitrag unserer Coaching-Serie zeigt sie auf, was Co-Abhängigkeit ist und wie kontra-produktiv co-abhängiges Verhalten in der Suchtbewältigung ist.
Warum das Thema Co-Abhängigkeit?
- Ich vermute, dass weder der Begriff Co-Abhängigkeit, noch die Folgen, vielen Menschen bekannt ist.
- Ich möchte diesem Tabuthema mehr Sichtbarkeit verleihen, da der Leidensdruck von Bezugspersonen suchtkranker Menschen oft sehr hoch ist.
- In der letzten Zeit haben sich einige Klientinnen mit diesem Thema an mich gewendet. Interessanter Weise waren es immer junge Frauen. Ich habe erkannt, wie allein gelassen co-abhängige Menschen oft mit diesem Problem sind. Daher möchte ich mit dieser Doppel-Folge zur Transparenz beitragen.
Zwei Fälle von Co-Abhängigkeit aus der Praxis
Melanie, 34, kommt schon seit einiger Zeit zu mir ins Coaching, weil sie an ihrer Selbstliebe und ihrem Selbstwertgefühl arbeiten möchte. Dass ihr Thema mit Co-Abhängigkeit zusammen hängt, hat sich erst in unserer letzten Sitzung herausgestellt.
Mel ist seit fünf Jahren mit ihrem Freund zusammen. Sie liebt Michael, trotz seiner Alkoholsucht. Melanie fällt es schwer darüber zu reden. Sie schämt sich. Mit mir kann sie darüber sprechen, da sie weiß, dass ich der Verschwiegenheit verpflichtet bin (daher sind auch die Namen geändert).
Weder Michaels Arbeitgeber noch ihre Freunde, dürfen von seiner Sucht erfahren, deshalb hüten die beiden ihr Geheimnis. Als ich Mel letztens fragte: „Wie geht es dir?“ meinte sie: „Jetzt geht es mir wieder gut, denn Michael hat mir versprochen, etwas gegen seine Alkoholkrankheit zu unternehmen….“
Da leuchtete ein rotes Warnlämpchen auf bei mir! Im Zuge unseres Gesprächs wurde klar, dass Melanie selbst nicht mehr spüren kann, wie es IHR geht. Michaels Zustand hingegen ist so etwas wie ein Seismograf für Melanies Zustand. Jedesmal, wenn Michael wieder trinkt und in sein depressives „Loch“ fällt, rasselt auch Mels innere Stabilität und ihr Selbstwertgefühl in den Keller.
Mel hat dann das Gefühl schuld zu sein an Michaels Zustand. Wenn es wieder passiert, dann hat sie „nicht gut genug aufgepasst auf ihn“, denkt sie. Sie übernimmt die ganze Verantwortung für ihn. Organisiert den Alltag, entschuldigt ihn in seiner Firma oder bei Freunden, um ihn nicht zu „verraten“ und ihre Beziehung zu „schützen“…ein fataler Irrtum, eine Teufelsspirale.
Sein (Trink)Verhalten ist zu ihrem Selbstwertspiegel geworden!
Angelika, 31, hat einen Vater, der spielsüchtig ist. Er belastet Angelika regelmäßig mit seinen Sorgen und mit Spielschulden. Es ist wie eine tickende Zeitbombe. Jedes Mal, wenn Angelika versucht, sich um ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern, ein wenig Geld zu sparen, um ihren Hobbies nachgehen zu können, bringt der Vater sie in einen neuen furchtbaren Gewissenskonflikt, indem er sie um Geld bittet.
Angelika hat niemanden, mit dem sie darüber reden will, denn im Grunde ist ihr das Thema unangenehm und sie will ihrem Vater nicht schaden. Sie liebt ihn ja trotz all dem. Er tut ihr leid und immer wieder ist sie sehr enttäuscht…
Zwischendurch versucht sie, die Probleme zu verdrängen und ihr Leben zu leben, doch ganz unbeschwert ist sie nie. Angelika ist mitgefangen in seiner Sucht. Sie weiss, dass die Verantwortung beim Vater liegt und, dass es kontraproduktiv ist, seine Spielschulden zu begleichen.
Dennoch wird Angelika gebeutelt zwischen Gefühlen wie Schuld, Mitleid, Verantwortung, Enttäuschung und einem gewaltigen Helfer-Syndrom etc.
Auch wenn die Sucht-Themen unterschiedlich sind, so verbindet Melanie und Angelika eines: ihre Co-Abhängigkeit.
Abhängigkeiten & Sucht
Abhängigkeit bzw. Sucht hat viele Gesichter. Neben den stoffgebundenen Abhängigkeiten (z.B. Drogen, Medikamente, Alkohol oder Tabak etc. ) gibt es auch solche, die nicht an Stoffe gebunden sind (z.B. Spielsucht, Internetsucht, Shopping-Sucht, Sex-Sucht etc.)
Eine Suchterkrankung tritt auf, wenn jemand die Fähigkeit verliert, den Konsum oder sein Verhalten zu kontrollieren. Dadurch fügt der Betroffene sich selbst und anderen Schaden zu.
CO-Abhängigkeit – Was ist das?
Unter Co-Abhängigkeit wird verstanden, dass neben der abhängigen Person noch weitere Personen, in die Abhängigkeit verwickelt sind.
Co-abhängige Menschen stehen oft in einem Naheverhältnis zum suchtkranken Menschen. Sie verhalten sich meist unbewusst und ohne es zu wollen suchtfördernd gegenüber ihren kranken Angehörigen. Sie betrachten den Suchtkranken als „Opfer“ und versuchen ihm, in helfender Absicht, die komplette Verantwortung für den Alltag und die Folgen seines Sucht-Verhaltens abzunehmen.
Typische Anzeichen für Co-Abhängigkeit
Wenn in deinem Umfeld eine nahestehende Person eine Suchterkrankung hat und du herausfinden möchtest, ob du co-abhängig bist, dann kannst du versuchen, dich ein wenig zu beobachten und dir folgende Fragen stellen:
- Wie sehr prägt die Sucht des anderen mein Leben?
- Wie sehr hängt meine eigene Befindlichkeit davon ab, wie es dem anderen geht?
- Wie gross ist mein Drang das Suchtverhalten des Betroffenen zu kontrollieren / schützen / helfen zu wollen?
- Wie steht es um meine eigene Befindlichkeit? Nervosität, Schlaflosigkeit, Migräne, Depression, Gefühl der Machtlosigkeit?
- Wie sehr versuche ich den Schein zu wahren? Aus Scham / Liebe / Mitleid oder dem Bedürfnis helfen zu wollen.
- Wie gut kann ich mich selbst spüren? Oder dreht sich alles, was ich tue, um den Betroffenen?
Toxische Beziehungsdynamik
Wenn eine oder mehrere der oben angeführten Verhaltensweisen zutreffen, dann ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass eine Co-Abhängigkeit vorliegt.
Oder anders ausgedrückt:
⦁ Wenn du dein eigenes Glück bedingungslos davon abhängig machst, wie es dem anderen geht…
⦁ Wenn du glaubst selbst schuld zu sein, am Suchtverhalten des anderen…
⦁ Wenn du denkst, dass deine Reaktion das Problem ist und nicht das Verhalten des Suchtkranken…
…dann befindest du dich in einer toxischen Beziehungsdynamik.
Raus aus der Abhängigkeit durch Eigenverantwortung
Für beide Seiten (dem abhängigen und den co-abhängigen Menschen) gilt: Der einzige Ausweg aus der Abhängigkeit ist die Übernahme von Eigenverantwortung!
Suchtbewältigung durch Eigenverantwortung
Auch wenn du es aus liebender, oder helfender Absicht tust – Je mehr du versuchst, die Probleme des suchtkranken Angehörigen zu lösen, umso mehr verstärkst du sein Problem. Denn die einzige Chance aus der Teufelsspirale heraus zu kommen, ist es, wenn der suchtkranke Mensch beginnt, selbst Verantwortung zu übernehmen, für sich und sein Verhalten.
Es gibt zahlreiche Organisationen und Selbsthilfegruppen, die auf Suchtberatung spezialisiert sind. Professionelle Hilfe ist die einzig Richtige.
Selbstliebe hat nichts mit Egoismus zu tun
Für sich selbst und NUR für sich selbst Verantwortung übernehmen – aus Liebe zu sich selbst und aus Liebe zum suchtkranken Menschen – ist auch der einzige Ausweg für den co-abhängigen Menschen.
Je mehr du dein Glück, deinen Selbstwert, deine Selbstachtung in die Hände anderer Menschen legst, umso mehr wirst du dich in dein toxisches und ungesundes Verhalten verstricken.
Selbstwirksamkeit & Eigenverantwortung als Ausweg!
Angelika fragte mich oft: „Warum kann er nicht mit dem Spielen aufhören? Das treibt ihn noch in den Ruin…“ „Hör auf zu denken, er soll es für dich tun,“ habe ich dann zu Angelika gesagt. Und mittlerweile geht es ihr gut damit. Sie hat verstanden, dass jeder (erwachsene) Mensch die Verantwortung für sich selbst trägt.
Angelika liebt ihren Vater. Daran hat sich nichts geändert. Schließlich ist er auch ihr Vater. Aber sie hat klare Grenzen gezogen und bleibt konsequent. Angelika hat Verantwortung für sich selbst übernommen.
Mittlerweile legt sie Geld zur Seite und fühlt sich gut dabei. Irgendwann möchte sie sich ein neues Surfbrett kaufen. Ihr Vater spielt immer noch, doch das ist sein Thema.
Und wie es mit Melanie weitergeht, erzähle ich in der nächsten Folge..;-)
Über Alice Nilsson – Business & Life Coach
Als Kommunikationsexpertin und zertifizierter Business & Life Coach ist Alice Nilsson davon überzeugt, dass achtsame Kommunikation in direktem Zusammenhang steht mit der Qualität von Beziehungen und einem positiven Lebensgefühl: Im Beruf, in der Familie, in der Liebe und im Leben. Denn…
Worte sind mächtig, sie können zerstören – oder Wunder bewirken.
Die weiteren Teile unserer Coaching-Serie:
>> Warum ein Business- oder Life Coaching für dich Sinn machen könnte
>> Mut zur Veränderung
>> Grenzen setzen
>> Der innere Kritiker
>> Das passende Lebensmodell für mich
>> Toxischer Müll
>> Hochstapler-Syndrom
>> Energie-Vampire
>> Happy Money Mindset
>> Situationship
>> positive Ausstrahlung
>> Co-Abhängigkeit Teil 2
>> Mut zur Selbständigkeit
>> Selbstwert
>> Gelungenes Weihnachtsfest
>> Gute Vorsätze und Umsetzung
>> Insights mit 30
>> Kontrollverlust
>> Neues Team
>> Richtig Manifestieren
>> Leadership Insights
>> Neues Jahr – neues Glück
>> Kinderwunsch mit 30
>> Loslassen oder Time to say Good bye
>> Schluss mit Dating-Drama